Tot stellen hilft nicht

Die Annenpassage in Graz, das Uno-Shopping in Linz oder das ­Gasometer in Wien: diese Geistermalls zeigen am eindrucksvollsten, was passiert, wenn nichts passiert. Rund die Hälfte der bestehenden EKZs müssen umstrukturiert werden. Was zu tun ist und warum es oft nicht getan wird, analysiert Dieter Bullinger in diesem Gastbeitrag.

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Ob Österreich oder Deutschland – die Probleme der Einkaufszentren sind die gleichen. Rund die Hälfte muss umstrukturiert werden, damit sie nicht eingehen. Dabei geht es aber nicht um die ohnehin alle paar Jahre erforderlichen kosmetischen „Aufhübschungen“ und Gebäude­renovierungen in Zentren, die eigentlich (noch) recht ordentlich laufen. Sondern um Center, die in Bezug auf Kundenfrequenzen, Umsätze, Flächenproduktivitäten und Leerstände grundlegende Um- und Neugestaltungen erfordern. Solche Center gibt es auch in Österreich. Dennoch sind in den letzten Jahren – trotz einer Reihe von Center-Renovierungen – insgesamt weniger Center-Revitalisierungen als erwartet zu verzeichnen. Es lohnt sich deshalb, einzelne Beispiele näher unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden, warum dem so ist (siehe Kasten).

SCS


Die SCS bei laufendem Betrieb auf Vordermann zu bringen, war ein Lehrstück für alle anderen Zentren.

Insgesamt zeigt sich, dass bei nicht wenigen Objekten zwar Revitalisierungsinvestitionen erforderlich sind, diese aber bislang unterblieben, weil sie rein finanztechnisch betrachtet nicht zu einer (kurzfristigen) Verbesserung der Rendite­situation führen. Dennoch sind die Revitalisierung und die damit zusammenhängenden Investitionen (bei gleichzeitig grundsätzlichen Überlegungen zu den heutigen und künftigen Nutzungen im Objekt) aus Marktgründen unausweichlich, weil sonst weitere Frequenz-, Umsatz-, Mieter- und Einnahmeverluste und damit auch Wertverluste und Abschreibungen drohen, die zwar noch weniger erfreulich sind, bei Lichte betrachtet aber meist schon überfällig sind. Vereinfacht gesprochen zeigen viele Beispiele, dass – bei einer Anfangs­investition von 100 und einem aktuellen Buchwert des Centers von oftmals noch zwischen 80 oder 90 – der Revitalisierungsbedarf oftmals zwar unbestritten ist. Da aber aufgrund der Probleme des jeweiligen Centers der aktuelle Marktwert des Objekts oftmals nur noch irgendwo zwischen 50 und 60 beträgt, lassen sich grundlegende Neugestaltungen und Revitalisierungsinvestitionen nur schwer umsetzen – da fragen vor allem die für Finanzen Verantwortlichen schon mal: „Sollen wir dem schlechten Geld jetzt noch gutes hinterherwerfen?“

Alternativen zu Revitalisierungsinvestitionen sind allerdings kaum vorhanden. Die naheliegende Idee, man müsse jetzt nur mal richtig Gas geben bei der Vermietung und neue attraktive Mieter akquirieren, hilft allenfalls kurzfristig – die Mieter wissen schon, welches Center ein gutes Objekt ist, in das es sich einzuziehen lohnt. Und die oft anzutreffenden (übrigens uralten ­menschlichen) Verhaltensweisen „tot stellen“ oder „weglaufen/weg­sehen“ helfen auch nicht. Nötig ist, nüchtern die Sachlage zu analysieren, Verantwortung zu übernehmen für die eingetretene Situation (wer immer sie verschuldet hat) und auf der Grundlage eines realistischen Umstrukturierungskonzepts eine rationale, aber nicht immer einfache Entscheidung zu treffen. Sonst tun es andere – die Kunden und Mieter, d. h. der Markt. Und die strafen jene Center gnaden­los ab, die sich den Revitalisierungs­bedarfen nicht stellen.

3 Beispiele für EKZ-Revitalisierung
EigentümerstrukturMietverträgeStandortFunktionale Mängel
Letztlich kann auch die Eigentümerstruktur (Fonds­objekt, Miteigentümergemeinschaft, Streubesitz) einer auf Langfristigkeit angelegten Revitalisierung abträglich sein. Bis man hier alle Beteiligten unter einen Hut bekommt, kann viel Zeit vergehen – dennoch lohnt sich der lange Atem, weil nur so weitere Krebsgänge des Centers und damit Wertverluste verhindert werden können.

Müssen für die Revitalisierung darüber hinaus be­stehende Miet­verträge (insbesondere mit Groß­mietern) aufgelöst oder geändert werden, so ergeben sich weitere – oftmals in ihren finanziellen Auswirkungen vorher schwer kalkulierbare – Unsicherheitsfaktoren. Hier sind besonderes Fingerspitzengefühl und großes Verhandlungsgeschick erforderlich.

Der bei Weitem wichtigste Faktor ist der Standort des Objekts. Ist er nicht optimal, sodass das Center hinsichtlich Größe, Mieterbesatz und Anziehungskraft nicht auf sein Einzugsgebiet passt, wird eine Revitalisierung schwierig – eine Veränderung von ­Standortqualitäten ist nahezu unmöglich. Deshalb muss gegebenen­falls die Ausrichtung eines Centers auf seinen Standort hin überprüft und das Objekt neu positioniert werden – das kann eine vollständige Umgestaltung des Branchen- und Mietermixes und eventuell sogar eine Redimensionierung des ­Centers erforderlich machen.

Kommen funktionale ­Mängel im Inneren des Centers hinzu (zum Beispiel nicht optimale Sicht- und Wegeverbindungen zwischen den einzelnen Handelsebenen), so ergeben sich rasch erhebliche Investitionsbedarfe, denen kaum ausgewichen werden kann – und zwar vor allem dann, wenn nicht zugleich zusätzliche Flächen (und damit zusätzliche Einnahmequellen) geschaffen werden können, welche die Wirtschaftlichkeitsrechnung vereinfachen. Ist eine Center-Erweiterung im Rahmen der Center-Umstrukturierung nicht möglich, ist die Rentabilität einer Revitalisierung oft nur schwer darstellbar. Dennoch sind solche Investitionen erforderlich, um das Center aus dem Tal der Tränen herauszuholen. Die Alternative – Aufschieben einer Abschreibung/Wertberichtigung als Folge weiter zurückgehender Umsätze und zunehmender Mietvertragskündigungen – ist letztlich noch schlechter.

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